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Roland Geitmann:
Natürliche Wirtschaftsordnung und Islam
Vortrag auf einer Tagung in Wuppertal-Neviges am 2.9.1989. - Zuerst veröffentlicht in der „Zeitschrift für Sozialökonomie“ 85. Folge (1990), S. 7–12.
Übersicht
A Einleitung
B Islamische Grundsätze zur Wirtschaftsordnung
1 Eigentum
2 Geld und Kredit
C Ausblick
Anmerkungen
A Einleitung
Meinen Aufsatz „Bibel, Kirchen und Zinswirtschaft“ hatte ich mit der Frage geschlossen: „Die sich christlich nennende Zivilisation hat den modernen Kapitalismus hervorgebracht; wird sie ihn auch selbst wieder überwinden - oder wird dies vielleicht der Islam besorgen?“ (1)
Der Islam ist eine beunruhigende und weltbewegende Macht, eine Religion, die sich nicht nur aufs Jenseits beschränkt, sondern sich gleichzeitig als politisch-rechtliche Offenbarung versteht, als Ordnung für das wirtschaftliche und soziale Zusammenleben - und das mit revolutionärer Kraft (siehe Iran). Beunruhigend ist diese Macht auch deshalb, weil sie nicht nur dem Kommunismus, sondern auch dem Kapitalismus einen kritischen Spiegel vorhält. Über beide Richtungen sagte Mehdi Navab, der Iranische Botschafter in der BRD, 1983 in einem Vortrag: „Bürgerliche Freiheiten bzw. die Emanzipation der Arbeiterklasse wollte man erreichen, indem man die Herrschaft Gottes für beendet erklärte, ja, man proklamierte sogar den Tod Gottes. Dass der himmlische Thron nicht leer bleiben, sondern von anderen Mächten eingenommen würde ..., hatten die liberal und sozial gesinnten Säkularisten in ihrem falsch verstandenen Humanismus nicht vorausgesehen. Man hatte den einen, einzigen, ewigen und unsichtbaren Gott verbannt, um dann den vielen zeitlichen, sichtbaren Gottheiten zu dienen. Macht, Reichtum und Ideologie wurden zu unbestrittenen Göttern auf Erden. ... Sowohl Kapitalismus als auch Kommunismus betrachten den Menschen, wenn auch auf verschiedene Weise, als ein ‚wirtschaftliches Wesen’. … In der kapitalistischen Industriegesellschaft des Westens ist Ökonomismus die Grundlage der Lebensphilosophie. Täglich werden neue materielle Bedürfnisse erzeugt und ständig gesteigert, um die Ausweitung des Konsums in Bezug auf Qualität, Quantität und Vielfalt zu sichern und den Gewinn der Riesenproduktionsanlagen, die mit Schwindel erregender Geschwindigkeit weiterproduzieren, zu steigern und die Menschen zu konsumsüchtigen Kreaturen zu machen. Das moderne technologische Wunder, das die Befreiung des Menschen von der Sklaverei der Arbeit und die Verlängerung seiner Freizeit verheißen hatte, hat nichts desgleichen gebracht, weil der außergewöhnliche Anstieg der Produktion von dem Anstieg der künstlich erzeugten Bedürfnisse des Menschen überholt wurde. Im Fieberwahn seiner zwanghaften Rastlosigkeit sinkt der Mensch immer tiefer und entfremdet sich immer mehr seiner selbst. Er arbeitet immer mehr, um zu konsumieren, und konsumiert, um zu arbeiten. Er hat sich in einen Wettbewerb für Luxus und Vergnügen gestürzt und dabei die moralischen Werte aufgehoben und dem Verfall preisgegeben. ... Die Anziehung, die Mode und Luxusgüter gleichermaßen auf Menschen in individualistisch orientierten und staatlich organisierten Gesellschaften ausüben, ist darauf zurück zuführen, dass sowohl kommunistische als auch kapitalistische Gesellschaften den gleichen Menschentyp auf den Markt der Menschheitsgeschichte bringen.“ (2)
Diese Worte Navabs bestätigen unsere Kritik am Kapitalismus nicht nur, sondern können sie vertiefen und erweitern; denn für viele Menschen wirkt die freiwirtschaftliche Kritik zu punktuell und technisch und ist das Christentum zu abgehoben, abstrakt, systemkonform und blutleer und deshalb ohne Kraft zur Veränderung. Aus diesem Grunde stelle ich die Frage nach dem Verhältnis von Natürlicher Wirtschaftsordnung und Islam, nicht als Vergleich (weil beide auf verschiedenen Ebenen liegen), sondern auf der Suche nach Berührungspunkten und in der Hoffnung auf - vielleicht sogar wechselseitige - Impulse. Weder im einen noch im anderen bin ich Spezialist und kann vielleicht gerade deshalb Brücken schlagen.
Obwohl man unter dem Begriff "Natürliche Wirtschaftsordnung" sehr vieles und Unterschiedliches verstehen könnte (von der ökologischen Landwirtschaft bis zum Abgabenrecht), will ich ihn hier im Sinne der Freiwirtschaft verwenden. Wer jedoch die freiwirtschaftlichen Instrumente Freigeld und Freiland zum Selbstzweck macht und nicht das dahinter stehende Anliegen einer Ausbeutung hemmenden Geld- und Bodenordnung mit einbezieht, wird kaum Berührungspunkte mit dem Islam finden und deshalb aus dessen Bestrebungen und Erfahrungen auch keine Impulse ziehen.
Wenig ergiebig ist die Frage auch für den, der unter Natürlicher Wirtschaftsordnung eine neutrale, ja areligiöse Geldtechnik und Bodenordnung versteht. Dass es im Lebensweg von Silvio Gesell dafür Gründe gab, insbesondere seine Enttäuschung über die ablehnende Haltung der Kirchen und die Gleichgültigkeit des real existierenden Christentums, hat Werner Onken kürzlich dargestellt. (3) Alle diejenigen indes, die nach einer geistig und historisch tieferen Verankerung des Anliegens einer gerechten Wirtschaftsordnung suchen und daraus Kraft, Erfahrungen und vielleicht auch breitere Dialogfähigkeit gewinnen, werden die Arbeiten schätzen, die die Freiwirtschaft mit der christlichen Soziallehre verbinden. (4)
Sowohl die Befreiungstheologie Lateinamerikas als auch die Revitalisierung des Islam haben dazu beigetragen, dass Christen seit einigen Jahren verstärkt danach fragen, inwieweit unsere Wirtschaftsweise noch mit ihrem verbal bekräftigten Glauben vereinbar ist. Der entfernte „Vetter“ Islam erinnert uns peinlich an gemeinsame Grundlagen.
B Islamische Grundsätze zur Wirtschaftsordnung
Der Islam ist bekanntlich kein monolithischer Block, über den eindeutige Aussagen möglich wären, sondern bietet ein vielfarbiges Bild. Während sich die Sunniten auf die Sunna, die Überlieferungen über Leben, Wirken und Aussprüche des Propheten Mohammed stützen, sind für die vor allem in Persien beheimateten Schiiten (ca. 10 % der Moslems) weitere religiöse Führer (Imame) maßgeblich, die durch ihre Kritik am jeweils herrschenden Kalifat eine mehr sozialrevolutionäre und orthodoxe Richtung begründeten. Die Sunniten haben vier große Rechtsschulen entwickelt mit unterschiedlicher Ausprägung zwischen liberal-modern und traditionell-orthodox.
Der abendländische Einfluss hat vielfältige politische Strömungen entstehen lassen. Ghaussy (5) unterscheidet
- säkulare (Türkei, Golf-Staaten),
- sozialreformerische und sozialistische (Syrien, Irak),
- radikal-revolutionäre (Libyen),
- fundamentalistisch-konservative (Saudi-Arabien) bzw. -revolutionäre (Iran) Richtungen.
Unsere europäischen Begriffe können nur annäherungsweise Tendenzen kennzeichnen. Eine islamische Theorie der Wirtschaftsordnung gibt es nicht, statt dessen eine Vielfalt unterschiedlicher Autoren, die sich über Fragen der Wirtschaftsordnung äußern, wobei Wunsch und Wirklichkeit oft weit auseinanderklaffen. Wenn also im Folgenden von islamischen Grundsätzen zur Wirtschaftsordnung die Rede ist, dann ist das keine allgemeingültige Ordnung, sondern eine von einer Mehrzahl von Autoren angestrebte, wobei im Unterschied zur deutschen Rechtsfixierung Ethik und Recht ineinander fließen.
Mit diesen Vorbehalten lassen sich folgende drei Prinzipien nennen, die islamische Vorstellungen über die Ordnung der Wirtschaft prägen:
- private Entscheidungsfreiheit, also Markt und Wettbewerb, im Gegensatz zu staatlicher Planwirtschaft,
- das Primat des Gemeinwohls, also der Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität, im Gegensatz zum westlichen Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus, aber auch zur Freiwirtschaft, und
- eine laboristische Orientierung der Marktwirtschaft, im Gegensatz zur Vorherrschaft des Kapitals. (6)
Im Hinblick auf die Natürliche Wirtschaftsordnung soll im Folgenden auf zwei Elemente näher eingegangen werden:
1 Eigentum
Nach islamischer Vorstellung ist Allah der absolute und letzte Eigentümer, so dass der Mensch als sein Stellvertreter nur Nutzungsrechte haben kann. In diesem christlichen Vorstellungen durchaus verwandten Sinne ist Privateigentum anerkannt, vor allem soweit die Sachen selbst erschaffen oder rechtmäßig erworben wurden. (7) Privateigentum an Produktionsmitteln wird von der herrschenden Meinung im Gegensatz zu den islamischen Sozialisten bejaht. Das alttestamentliche "Halljahr" (Rückfall des Bodeneigentums an die ursprünglichen Eigentümer nach jeweils 49 Jahren) hat Mohammed nicht aufgegriffen. Zahlreiche Autoren vertreten allerdings die Meinung, dass bei Pacht kein fester Zins, sondern nur die Ablieferung eines Teils der Ernte vereinbart werden dürfe.
Kennzeichnend sind zwei Verpflichtungen der Eigentümer,
- durch Arbeit zur Entwicklung beizutragen und
- Zakat zu leisten, eine jährliche Abgabe für soziale Zwecke (2,5 % auf das gesamte Vermögen).
Für den Gebrauch des Eigentums gelten die moralischen Verbote, das Eigentum brachliegen zu lassen, es zu vergeuden oder zur Schau zu stellen. Außerdem gelten die Gebote zur Mäßigung und zur Verwendung für soziale Zwecke. Armen und Bedürftigen wird ein Recht zugesprochen, am Reichtum der Reichen teilzuhaben.
Aus dem Prinzip der Nichtschädigung folgt das Verbot von Spekulation, Glücksspiel, des Hortens und des Monopols sowie der Preistreiberei. Umweltbelastungen werden als Problem der Abwägung gesehen, wobei der private Nutzen zurücktreten müsse.
In einem gewissen Gegensatz zur Freiwirtschaft tritt das Prinzip des Altruismus: „Wenn Gerechtigkeit das Fundament der Gesellschaft ist, ist Wohltätigkeit ihre Zierde und Vollendung.“ (8) Eigennutz in Gestalt der Gewinnmaximierung, also im Sinne bloßer Akkumulation, wird abgelehnt. Diese „islamische Rationalität“ ist freilich (noch) keine Realität, sondern Erziehungsziel.
Ein wirksames Instrumentarium zur Verhinderung des privaten Bodenzinses und darin liegender Ausbeutung hat der Islam bislang nicht entwickelt.
2 Geld und Kredit
In der Zinskritik liegt der eigentliche Berührungspunkt zwischen Natürlicher Wirtschaftsordnung und Islam. An mehreren Stellen verbietet der Koran das Zinsnehmen (riba, vgl. „Reibach“). So heißt es in der Sure 3, 130: „Ihr Gläubigen! Nehmt nicht Zins, indem ihr in mehrfachen Beträgen wieder nehmt, was ihr ausgeliehen habt!“ Und Sure 2,275 (die letzte Offenbarung Mohammeds) lautet: „Diejenigen, die Zins nehmen, werden dereinst nicht anders dastehen als wie einer, der vom Satan erfasst und geschlagen ist. Dies wird ihre Strafe dafür sein, dass sie sagen: ,Kaufgeschäfte und Zinsleihe sind ein und dasselbe’. Aber Gott hat nun einmal das Kaufgeschäft erlaubt und die Zinsleihe verboten. "
Strittig ist, ob hiermit nur der Wucher, also der übermäßige Zins, insbesondere bei Konsumtivdarlehen gemeint ist oder jeder Zins (so die bislang herrschende Auslegung). (9) Strittig ist auch, ob sich das Zinsverbot nur auf Gelddarlehen oder auch auf Warengeschäfte (insbesondere bei Ratenzahlungen) bezieht.
Die ökonomischen Begründungen für das Zinsverbot klingen Freiwirtschaftlern vertraut, auch wenn sie bei westlichen Ökonomen in der Regel kein Verständnis finden (10):
- Zins ist Ausbeutung, Transfer von arm zu reich,
- Zins ist ungerecht auch bei Produktivdarlehen, da der Gewinn unsicher ist,
- Zins erhöht die Produktionskosten,
- Zins verhindert Investitionen in wenig ertragreiche Produktion und ist beschäftigungsfeindlich,
- Zins ist Ursache für Instabilität und Konjunkturschwankungen.
In der Geschichte des Islam hatte das Zinsverbot zur Folge, dass Bankgeschäfte vorwiegend den Juden überlassen wurden, die sich gemäß den mosaischen Gesetzen nur Juden gegenüber am Zinsnehmen gehindert sahen, oder dass statt des Zinses gemäß alter islamischer Tradition eine Erfolgs- (und Verlust-)beteiligung vereinbart wurde. Daneben blühte stets ein sogenannter "Bazar-Kapitalismus", bei dem mangels Rechtschutzes für Zinsforderungen umso höhere Zinssätze üblich waren.
Mit dem Vordringen westlichen Einflusses kam es im 19. und 20. Jahrhundert auch zur Gründung von Banken mit kapitalistischer Kreditpraxis. Erst nach der Befreiung von englischer und französischer Vorherrschaft besannen sich einzelne Autoren am Ende der 1940er Jahre zunächst theoretisch und ab Mitte der 1970er Jahre auch praktisch auf die islamische Tradition der Erfolgsbeteiligung. (11)
Pilotfunktion für die Gründung islamischer Banken hatte das Sparkassenprojekt von MitGhamr im Nil-Delta Ägyptens. (12) Entworfen von ägyptischen Studenten an der Universität Köln verfolgte dieses entwicklungspolitische Projekt unter Ahmed El Naggar das Ziel, gläubige Fellachen, die allenfalls horten und das Bankzinswesen scheuen, zu Sparern zu machen. Diese mit Unterstützung der Bundesrepublik 1963 gegründete "Zinslose Sparkasse" gewährte bei zinslosen Spareinlagen zinslose Kleinkredite zur produktiven Verwendung und bei Notlagen Unterstützung aus einem Sozialfonds (aus Zakat-Mitteln); außerdem einen Investitionsfonds für Gewinn- und Verlustbeteiligung an Unternehmen.
Trotz Überliquidität und Mangel an gewerblichen Projekten hatte die Sparkasse einen gewissen Erfolg, der wiederum Argwohn des Staates und Rivalitäten zur Folge hatte und 1967 zur Übernahme durch die Nationalbank und Umwandlung in eine normale Spar- und Darlehensbank (insbesondere für Beamte) führte.
Seit 1971 gibt es in Ägypten die Nasser Social Bank mit vielfältigen Aufgaben:
- Renten- und Sozialversicherung,
- zinslose Kredite, insbesondere an Staatsbedienstete, kleine Handwerker, Rentner
und Studenten,
- Einlagen zur Beteiligung an Investitionen,
- Beihilfen an Bedürftige,
- Verwaltung von Zakat-Mitteln.
Im Auftrag der Islamischen Außenministerkonferenz (1970) wurde 1972 unter Beteiligung von EI Naggar eine Studie über die Einrichtung Islamischer Banken erstellt. Auf dieser Grundlage wurden daraufhin sowohl die Islamische Entwicklungsbank als auch inzwischen zahlreiche zumeist private Banken in mehreren islamischen Ländern errichtet. Iran und Pakistan verstaatlichten das Bankwesen und machen Schritte zur islamischen Umstellung "von oben".
Die islamischen Banken praktizieren folgende Formen der Erfolgsbeteiligung:
- Musharaka (ähnlich wie eine GmbH mit Gewinn- und Verlustbeteiligung
entsprechend dem Geschäftsanteil),
- Modaraba (Kapitalgeber- und Geschäftsführerfunktionen werden getrennt, wobei
die Bank zunehmend das Projektmanagement für ein Anlegerpublikum
übernimmt). (13)
Zur kurzfristigen Überbrückung von Liquiditätsengpässen gewähren islamische Banken zinslose Kredite mit kompensatorischer Einlage (z.B. 1000 M für 10 Tage gegen 100 M für 100 Tage). Geldanleger bekommen keine Zinsen, sondern werden an Gewinnen und Verlusten der Bank beteiligt. Daneben gibt es (wie bei uns) Kauf auf Ratenzahlung, Mietkauf, Vermietung, Leasing, Mark-down-Kredite (Wechsel zu niedrigerem Preis). Umstritten ist „Murabaha“, ein doppeltes Kaufgeschäft mit Gewinnaufschlag, wobei die Bank Ware kauft und dem Unternehmer gegen Gewinnaufschlag auf Ratenzahlung weiterverkauft. Im Übrigen bieten auch islamische Banken Dienstleistungen wie Durchführung des Zahlungsverkehrs, Scheckeinzug, Wechsel gegen Gebühr (die allerdings nur vom Betrag und nicht von der Dauer abhängt) und Vermögensverwaltung; und sie führen Geschäfte auf eigene Rechnung.
Zur praktischen Bedeutung ist wichtig anzumerken: Der Anteil der islamischen Banken am Bankensektor insgesamt ist noch sehr gering, und wiederum beträgt bei den islamischen Banken der Anteil der Erfolgs- und Verlustbeteiligungsgeschäfte nur ca. 10% des gesamten Geschäftsumfangs. (14)
Deutlich sind inzwischen die Probleme einer solchen Erfolgs- und Verlustbeteiligung (15):
- Probleme der Kontrolle, insbesondere mangels ausreichender Buchführung,
- Personalprobleme der Banken bei der unternehmerischen Beurteilung der
Projekte,
- Rentabilitätsprobleme, weil rentable Projekte von Normalbanken abgewickelt werden und die
übrigen Projekte für islamische Banken nur lohnend sind, wenn der Gewinn höher ist als
erwartet;
- statt Produktionsinvestitionen werden vorzugsweise Handelsgeschäfte bei islamischen Banken
abgewickelt; noch fehlendes Investitionsmilieu,
- die verbreitete Einstellung, „der Prophet habe den Zins, nicht aber den Profit verboten“,
- die Zurückhaltung der Privilegierten und der Regierung und
- die internationale Verflechtung.
Trotz dieser Probleme scheinen mir die Bemühungen der islamischen Banken um eine Beteiligungswirtschaft ein Schritt in die richtige Richtung zu sein, nämlich weg von der bei uns so selbstverständlichen Herrschaft des Geldes. Diese Veränderung des Denkens könnte sich auch als hilfreich erweisen bei der Bewältigung der internationalen Schuldenkrise, indem Schulden in Beteiligungen umgewandelt werden. Risiken würden gerechter und breiter verteilt.
Aus freiwirtschaftlicher Sicht ist die islamische Beteiligungswirtschaft freilich nur ein zwar sympathischer, aber unzureichender Ansatz. Insbesondere bleibt ungelöst, was den Zins als Knappheitsindikator ersetzen soll und wie eine stabile Währung erreicht werden könnte.
C Ausblick
Zur Untermauerung ihrer Behauptung, dass zinslose Banken möglich seien, stützten sich muslimische Ökonomen schon in den 1950er Jahren auch auf westliche Autoren insbesondere Keynes, Schumpeter und auch Gesell, auf den sie wohl durch Keynes aufmerksam wurden. Sie übernahmen teilweise Gesells Aussagen über die Auswirkungen des Zinses, nicht aber seinen Therapievorschlag. Es ist schwer zu sagen, was sie daran hinderte, ob es die Kritik westlicher Ökonomen an Gesell war (soweit sich diese überhaupt mit ihm auseinandersetzen) oder die islamische Tradition der Gewinn- und Verlustbeteiligung. Vielleicht klingen Gesellsche Vorstellungen für Muslime zu rational und geldtechnisch.
Immerhin liegt eine Chance darin, dass westliche Ökonomen auf dem Umweg über islamische Fachkollegen an Gesell und dessen Anerkennung durch Keynes erinnert und mit den Schäden der Zinswirtschaft konfrontiert werden.
Dieser Dialog könnte uns Abendländer zu unseren eigenen Schätzen und Wurzeln zurückführen. Wenn wir uns darauf besännen, dass die Zinskritik von Ernst Abbé, Silvio Gesell, Rudolf Steiner u.a. in einer jahrtausendelangen Kulturtradition steht, würden wir erkennen, dass hierfür eine Lösung zu finden Aufgabe nicht allein der (zumeist systemkonform denkenden) Ökonomen ist, sondern aller Menschen, die an einer gerechten Ordnung menschlichen Zusammenlebens interessiert sind. Ein solcher Dialog zwischen den Religionen könnte unseren Eifer beleben im Sinne der Ringparabel Lessings („Nathan der Weise“), „die Kraft des Steins in (unserem) Ring an Tag zu legen“.
Anmerkungen
1 Zeitschrift für Sozialökonomie 80/1989, S. 17/22.
2 Mehdi Navab, Warum erregt die Islamische Revolution in Iran die Gemüter?, in: Weltmacht Islam? Ein Symposium. Reihe „Frankenthaler Gespräche" in der PVA (1983), S. 133/138-140.
3 Werner Onken, Der geistige Weg Silvio Gesells und der Freiwirtschaftsbewegung, in: Fragen der Freiheit 195/1988, S. 45 ff.
4 Siehe etwa Johannes Ude und Eduard Burri, Nachweise in dem in Anm. 1 genannten Aufsatz. Dieser Verknüpfung widmen sich insbesondere die "Christen für gerechte Wirtschaftsordnung (CGW) e.V." (www.cgw.de)
5 Achmed Ghanie Ghaussy, Das Wirtschaftsdenken im Islam (1986), S. 129 ff.
6 Zum folgenden: Ghaussy (Anm. 5); Axel Köhler, Islam - Leitbilder der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung (1981); Volker Nienhaus, Islam und moderne Wirtschaft. Einführung in Positionen, Probleme und Perspektiven (1982); aus sozialistischer Sicht: Maxime Rodinson, Islam und Kapitalismus (1966/86); alle mit weiteren Literaturhinweisen; siehe auch die Auswahlbibliographie von I. Otto und M. Schmidt-Dumont, Islamische Wirtschaft in Theorie und Praxis (1986).
7 Hierzu Nienhaus (Anm. 6) S. 59 ff., der sich dabei auf die Politisch-religiöse islamische Grundsatzerklärung
der "Internationalen islamischen Hidschra-Konferenz über die Situation der moslemischen Minderheiten in
der Welt“ von 1980 stützt; siehe auch Ghaussy (Anm. 5) S. 72 ff., 248 ff.
8 M.N. Siddiqi, zitiert nach Nienhaus (Anm. 6), S. 69.
9 Nach einer Meldung der FAZ vom 9.9.1989 („Sind Zinsen ‚halal’ oder ‚haram’?“) hat der Mufti Ägyptens, der oberste islamische Rechtsgelehrte des Nil-Landes, im Gegensatz zu anderen Rechtsschulen entschieden, dass Zinsen für Bankeinlagen zulässig seien.
10 Siehe z.B. Nienhaus (Anm. 6), S. 216 ff.
11 Über das folgende berichten Volker Nienhaus und Traute Wohlers-Scharf, Arabische und Islamische Banken (1984), S. 57 ff.
12 Dazu Ahmed El Naggar, Zinslose Sparkassen. Ein Entwicklungsprojekt im Nil-Delta (2. Aufl. 1982).
13 Nienhaus/Wohlers-Scharf (Anm. 11), S. 101-123.
14 Nähere Angaben bei Nienhaus/Wohlers-Scharf (Anm. 11), S. 123-151.
15 Dazu Nienhaus (Anm. 6), S. 262 ff. und Nienhaus/WohlersScharf (Anm. 11), S. 151 ff.
16 Volker Nienhaus, Islamische Banken: Struktur und Bedeutung, in: Entwicklungsländer in der Finanzkrise. Probleme und Perspektiven. Hrsg. von U.E. Simonis (1983), S. 159/164 f.